LENOS
×
LP 198
www.lenos.ch
Ida Pfeiffer
Verschwörung im Regenwald
Die Reise nach Madagaskar
Mit einer biographischen Skizze
von Hiltgund Jehle
Lenos Verlag
Die Autorin
Ida Laura Pfeiffer, geb. Reyer, wurde 1797 in Wien geboren und wuchs
in einem gutbürgerlichen Milieu auf. 1820 heiratete sie den vierund-
zwanzig Jahre älteren Advokaten Mark Anton Pfeiffer. 1842 unternahm
sie ihre erste grössere Reise nach Konstantinopel, Beirut, ins Heilige
Land und nach Ägypten. Die restlichen Jahre ihres Lebens verbrachte
sie mit Reisen, darunter zwei Weltreisen. 1858 starb Ida Pfeiffer an den
Folgen ihrer letzten Reise nach Madagaskar.
Bearbeitet von Giò Waeckerlin Induni.
Der Lenos Verlag wird vom Bundesamt für Kultur mit einem Struktur-
beitrag für die Jahre 2016–2020 unterstützt.
LP 198
Zweite, durchgesehene Auflage 2018
Copyright © 1991 by Schönbach Verlag
Alle Rechte vorbehalten
Satz und Gestaltung: Lenos Verlag, Basel
Illustration: Henri Rousseau (le Douanier), Forêt vierge au soleil couchant
(Urwaldlandschaft mit untergehender Sonne) (Ausschnitt), um 1910, in:
Kunstmuseum Basel, Sammlung Online
Printed in Germany
ISBN 978 3 85787 798 8
The remarkable lady traveller, Madame
Pfeiffer, arrived here yesterday after
a voyage which we feel assured has
surpassed all her previous undertak
-
ings. She has visited Madagascar and
penetrated to the Hova capital after
having gone through all the dangers of
the journey into the interior of that vast
island. She has received the hospitality
of the Queen Ranavalona, conversed
with her, seen horrible punishment
inflicted on the native Christians, and
finally for reasons, already known was
ordered to leave the capital in all haste.
We understand Madame Pfeiffer has
suffered from the fatigues of the voyage
and the Madagascar fever, but that she
is now gradually recovering.
The Commercial Gazette, 15.9.1857
6
Zur vorliegenden Ausgabe
Ist Ida Pfeiffers Beurteilung fremder Welten heute noch
nachvollziehbar? War sie wirklich nur die scharfzüngige,
zutiefst von den europäischen Idealen des 19. Jahrhunderts
geprägte Reisende?
Um diese Fragen zu beantworten, muß man etwas tiefer
in ihre Reisebeschreibungen »hineinhorchen«, um festzu
-
stellen, daß viele der von ihr beobachteten, geschilderten
und vehement kritisierten Zustände sich heute zu Proble
-
men mit unabsehbaren Folgen ausgewachsen haben, daß
viele Episoden heute zum Alltag unserer Medienbericht-
erstattung geren man braucht nur an das von Erosion
bedrohte Madagaskar zu denken, an die jüngsten blutigen
Ereignisse auf allen Kontinenten. Vielleicht sollten wir auch
so ehrlich sein und uns eingestehen, dwenn der Reiz
des Exotischen sich verflüchtigt hat – unser Bild einer Welt,
die wir uns anmaßen die »dritte« zu nennen, sich nicht un
-
bedingt immer von dem Ida Pfeiffers unterscheidet.
Um dem Leser den Text zugänglicher zu machen, ha
-
ben wir dort, wo es uns für das Verständnis erforderlich
schien, Orthographie, Interpunktion und Satzstellung des
Originals der heute üblichen Schreibweise angepaßt; nicht
mehr gebräuchliche und daher oft unverständliche oder
7
mißverständliche Begriffe haben wir durch einen geläufigen
Ausdruck ersetzt, ohne den unverwechselbaren, lapidaren,
ironischen Stil, der die Originalität von Ida Pfeiffers Werk
ausmacht, zu verfälschen.
Basel/Hannover, April 1991
Am 21. Mai 1856 verließ ich Wien 11
An Bord des »Salt-Bommel«, 700 Tonnen,
Kapitän Juta 23
Am 17. November morgens … 35
»Madagaskar, der Diamant in der Inselkette um Afrika«.
Geographisch-Historisches über Madagaskar 63
Am 25. April 1857 verließ ich Mauritius 73
Am 13. Mai kam endlich Herr Lambert an 97
Herr Laborde und der englische Missionar
Herr W. Ellis 135
Unsere Vorstellung bei Hof fand am 2. Juni statt 159
Die Verschrung 179
Der verungckte Staatsstreich 201
Der Urteilsspruch 229
Hier endet das Tagebuch von Frau Ida Pfeiffer 253
Ida Pfeiffer – eine biographische Skizze 259
Die Insel Madagaskar 281
11
Am 21. Mai 1856 verließ ich Wien
Ida Pfeiffer schifft sich auf dem Dampfer AUSTRIA ein und fährt
die Donau aufwärts nach Linz, von dort mit der Eisenbahn nach
Lambach und mit dem Pferdeomnibus weiter nach Salzburg in
Salzburg regnete es wie gewöhnlich. Nicht zu Unrecht nen
-
nen meine Landsleute diese Stadt ein »wahres Regenwin-
kel« –, wo sie das neue Mozart-Standbild besucht und ihre Reise
nach München im Stellwagen fortsetzt.
Sie bleibt sechs Tage in München, nimmt am Künstlerfest teil
kurz, ein heiterer Scherz und Schwank löste den anderen ab,
und das schaulustige Publikum unterhielt sich auf das be
-
ste, es war ein wahres Volksfest –, bei dieser Gelegenheit wird
sie König Max vorgestellt. Voller Lob stellt sie fest, daß der König
in einfachem schlichten Bürgerrocke erscheint: Schon seit langer
Zeit habe ich keinen Monarchen in Zivilkleidern gesehen;
Uniform und nichts als Uniform tragen die gekrönten
Häupter, als ob sie bl dem Soldatenstande angehörten.
Freilich, was wären auch die meisten ohne Soldaten …?!
Dann fährt sie mit dem Zug nach Berlin, wo sie mit Alexander
von Humboldt und dem berühmten Geographen Carl Ritter zu
-
sammentrifft, der sie zur Sitzung der Geographischen Gesellschaft
einlädt. Einige Monate zuvor war Ida Pfeiffer als Ehren-Mitglied
in diese Gesellschaft aufgenommen worden – eine Auszeichnung,
12
die bisher noch keiner Frau zuteil geworden war –, wie sie
mit einiger Genugtuung bemerkt:
In Berlin wurde mir eine große Überraschung zuteil:
Alexander von Humboldt gab mir einen sehr warmen, of
-
fenen Empfehlungsbrief an alle seine Freunde in der weiten
Welt. Ich hoffe, man wird es mir nicht als Eitelkeit aus
-
legen, wenn ich im Gefühle der Freude, von solch einem
Manne derart ausgezeichnet worden zu sein, die Abschrift
dieses Briefes, den ich so glücklich war von ihm zu erhalten,
meinem Werk beifüge.
Der große Humboldt schreibt:
»Alle Diejenigen, welche in den verschiedenen Regionen
der Erde eine Erinnerung meines Namens und Teilnahme
r meine Werke bewahrt haben, bitte ich hiemit drin
-
gend, die Überbringerin dieser Zeilen, Frau Ida Pfeiffer,
mit freundlichem Interesse aufzunehmen und mit Rat zu
unterstützen. Diese Frau ist nicht blberühmt durch die
edle Ausdauer, welche sie inmitten so vieler Gefahren und
Entbehrungen zweimal um die Welt geführt hat, sondern
vor Allem durch die liebensrdige Einfachheit und Be
-
scheidenheit, die in ihren Werken vorherrschen, durch die
Wahrheit und Reinheit ihres Urteiles und durch die Un
-
abhängigkeit und zu gleicher Zeit Zartheit ihrer Gefühle.
Des Vertrauens und der Freundschaft dieser achtbaren Frau
genießend, tadle ich, bewundere jedoch dabei nicht weni
-
ger diese unbezähmbare Energie des Charakters, welche sie
überall gezeigt hat, wohin sie gerufen – oder besser gesagt,
getrieben wurde durch die unbesiegbare Leidenschaft, die
Natur und die Gebräuche der verschiedenen Menschen
-
13
rassen zu erforschen. Als der älteste lebende Naturforscher
hle ich das Verlangen, Frau Ida Pfeiffer diesen kleinen Be
-
weis meiner hohen und respektvollen Achtung zu geben.«
Von Berlin aus fährt sie nach Hamburg aber auch in Ham
-
burg war meines Bleibens nicht lange; ich wollte meine Zeit
r das mir noch ganz unbekannte Holland sparen, und so
schiffte ich mich schon am 14. Juni abends auf dem Damp
-
fer STOOMWARD, Kapitän C. Bruns, nach Amsterdam ein
(312 Seemeilen). Dies war die erste Fahrt, die ich in Europa
auf einem holländischen Dampfer machte, und wie auf je
-
nen, die ich auf meiner zweiten Reise um die Welt in In-
dien bestiegen hatte, war man auch hier so freundlich, mir
nicht nur eine freie Fahrt zu geben, sondern auch für Kost
und dergleichen keine Vergütung anzunehmen. Wie leicht
würde mir das Reisen werden, fände ich bei den englischen
Dampfschiffahrts-Gesellschaften ähnliche Großherzigkeit
leider ist dies aber bisher nie der Fall gewesen; die engli
-
schen Herren Direktoren, Agenten usw. zeigten viel mehr
Sinn für meine Thaler als für meine Reisen und ließen mich
stets ganz ruhig für die kleinste wie für die größte Fahrt
bezahlen. Ich traf in Amsterdam am 16. Juni mittags ein.
Hier findet sie Aufnahme bei Freunden, die sie von ihren Reisen
in Holländisch-Indien her kennt und die ihr einen großen Teil des
Landes zeigen. In Amsterdam fallen ihr die hohen, schmalen Häuser
mit den spitzen oder runden Giebeldächern auf, bei denen oft einzelne
Stockwerke auf die Straße hinausragen, und sie ist entsetzt über die
unglaublich steilen Treppen in den holländischen Häusern. Sie wun
-
dert sich, daß in einer so großen Stadt (200 000 Einwohner) auf
den Plätzen und Stren keine Mietdroschken stehen, sondern daß
14
man erst in das Haus eines Lohnkutschers schicken oder gehen und
warten muß, bis angespannt wird. Ausführlich beschreibt sie einen
Besuch in der Diamanten-Schleiferei des Herrn Costa: Die Hol
-
länder sind bekanntlich in der Kunst, Diamanten zu schlei-
fen, noch von keiner anderen Nation Europas übertroffen
worden, und nur in Indien haben sie ihre Meister gefunden.
Auch vom »Harlemer Meer« ist sie sehr beeindruckt, dessen Aus
-
trocknung geweine der großartigsten Unternehmungen
unseres Jahrhunderts ist. Hier sieht sie auch zum ersten Mal, wie
weit die Vorliebe der Holländer für die Viehzucht geht der
Kuhstall war unstreitig der schönste Teil des Hauses. Auch bei
anderen Besuchen auf dem Land fallen ihr die Reinlichkeit der Dör
-
fer und die schönen, zweckmäßigen Ställe auf.
In Utrecht findet gerade das große Studentenfest statt, mit dem
alle fünf Jahre die Gründung der Universität gefeiert wird. Die
Herren Studenten haben sich in zwei Parteien gespalten, die aristo
-
kratische und die demokratische, und eine Partei versucht während
des zwei Wochen dauernden Festes, die andere zu übertrumpfen.
Ida Pfeiffer wie könnte es anders sein äußert sich kritisch zu
so viel Pomp und Aufwand: Schön und glänzend war es, das
ist nicht zu leugnen, aber viel zu großartig für Studierende.
In Den Haag besucht sie die Bilder-Galerie hier Museum
genannt; Leyden findet sie langweilig, rühmt aber seine Bilder
-
sammlungen; von Rotterdam hingegen ist sie begeistert; sie steht
stundenlang am Fenster und meint zu träumen, als sie draußen die
Wasser-Kolosse mit ihren hohen Masten sowie die rauchen
-
den Dampfer mitten durch die Stadt ziehen sieht.
Ihren Hollandbesuch ft sie schließlich mit folgenden Worten
zusammen:
15
Mein Aufenthalt in Holland war somit nicht von lan-
ger Dauer gewesen ungefähr 14 Tage, während welcher
ich der interessanten Dinge genug sah Naturschönheiten
ausgenommen. An letzteren ist Holland arm. Wie bekannt,
wurde ein großer Teil des Bodens dem Meere abgerungen,
und es besteht demzufolge aus einer fortgesetzten Fläche,
die kaum hie und da durch niedrige Dünen unterbrochen
wird. Die Ansichten sind daher überall so ziemlich diesel
-
ben frische Wiesen mit darauf weidendem Vieh, wenig
Felder, hübsche Bosquets, große umfangreiche Bäume, nette
Bauernhöfe und rfer. Ein freundliches Bild gewährt dies
zwar; wenn man es aber fortwährend vor Augen hat, wird
es bald einförmig, und man sehnt sich darnach, Berge oder
wenigstens eine kleine gelkette zu sehen. Ein fruchtbares
Land ist Holland jedenfalls, das leugne ich nicht – aber ein
schönes Land kann ich es nicht nennen.
Am 2. Juli fährt sie mit einem Dampfschiff von Rotterdam
nach London; es ist das erste Mal, daß sie auf einem englischen
Schiff die Überfahrt nicht bezahlen muß. Ich hatte meinen
Platz bereits genommen; sobald aber Herr Smith meinen
Namen erfuhr, stellte er mir auf die freundlichste Art mein
Passagegeld zurück. Auch die Engländer haben mittlerweile of
-
fensichtlich Respekt vor Ida Pfeiffers beißender Kritik.
In London verbringt sie rund vier Wochen bei ihrem Freund,
Herrn Waterhouse, einem der Direktoren des Britischen Museums.
Am 1. August ging ich nach Paris.
Der Hauptzweck meiner diesmaligen Reise war, die Insel
Madagaskar zu besuchen, mit deren Regenten die franzö
-
sische Regierung allein einigermaßen in Verbindung steht.

Ida Pfeiffer
Verschwörung im Regenwald

Die Reise nach Madagaskar

Mit einer biographischen Skizze von Hiltgund Jehle


LP 198
Paperback (3. Auflage)
ISBN 978-3-85787-798-8
Seiten 283
Erscheint 15. Januar 2025
€ 18.00 / Fr. 18.00 *
* voraussichtlicher Verkaufspreis

Ausgaben
Paperback (2025)
Ein seltenes Dokument madagassischer Geschichte, verfasst von einer österreichischen Weltreisenden im 19. Jahrhundert

»Madagaskar, der Diamant in der Inselkette um Afrika«, eine der schönsten Gegenden der Welt, war noch bis Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts vom Nimbus eines Eldorados umgeben. Nur ganz wenige Europäer gelangten in das Innere des Königreiches, auf das sowohl die Franzosen als auch die Engländer ein begehrliches Auge geworfen hatten.

Am 21. Mai 1856 bricht die Weltreisende und erfolgreiche Reiseschriftstellerin Ida Pfeiffer »abermals zu einer grossen Reise auf«; sie ahnt nicht, dass es ihre letzte sein wird. Trotz der prekären politischen Situation auf Madagaskar lässt sie sich nicht von ihrem Vorhaben abbringen. Sie wird, ahnungslos, in einen missglückten Staatsstreich verwickelt.

Pressestimmen

Die spannende und amüsante Reisegeschichte aus der Feder einer weltgewandten bürgerlichen Lady bietet ein wahres Lesevergnügen.
— Die FrauenZeitung

Ausserdem lieferbar