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diengruppen, die Israel und die besetzten Gebiete besuchen,
ist sie zur kompetenten und unideologischen Vermittlerin der
palästinensischen Sichtweise geworden.
Als Dozentin für Botanik und Ökologie an der palästinen-
sischen Universität Birseit nahm sie nach ihrem Studium am
politischen Aufbruch der Universität teil und setzte sich in
Bildungs- und Ausbildungsprogrammen für einen Bewusst-
seinsprozess unter den Frauen ein, der mit der Intifada neue
Dimensionen annahm – als die Frauen gezwungen wurden,
aus traditionellen Rollen herauszutreten. Mit Ausnahme von
Hanan Ashrawi, die in den ersten Friedensverhandlungen
eine führende Rolle spielte, blieb aber die Bedeutung palä-
stinensischer Frauen im Kampf gegen die Gewalt der Besat-
zung – und gegen die Gewalt patriarchaler Herrschaft in der
eigenen Gesellschaft – wie auch ihr Beitrag zur Entstehung
und Ausgestaltung eines zukünftigen Staates weitgehend
unbekannt. In der palästinensischen Frauenbewegung ver-
knüpft sich heute der Kampf um politische Befreiung mit
dem Kampf um Demokratie und gegen undemokratische
Entwicklungen, wie sie sich in der Autonomiebehörde teil-
weise abzeichnen.
Als sich Sumaya Farhat-Naser im Frühjahr 1994 entschloss,
ihre Lebensgeschichte aufzuzeichnen, wussten wir zwar um
die mit dieser Aufarbeitung von Erfahrungen und Erinnerun-
gen verbundene zeitliche und seelische Beanspruchung. Nicht
voraussehbar war aber, wie gross die Belastung durch die nie-
derdrückenden politischen Entwicklungen sein würde, die sie
begleiteten. Thymian und Steine wurde zu einer Zeit geplant,
als die Hoffnung auf einen Prozess friedlicher Veränderungen
und allmählicher Annäherung die Skepsis überwog. Wie sehr
sich die Stimmung inzwischen verändert hat, wird in den bei-
den letzten Kapiteln spürbar.