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Lenos Verlag
Ghada Abdelaal
Ich will heiraten!
Partnersuche auf Ägyptisch
Aus dem Ägyptisch-Arabischen
von Kristina Bergmann
Titel der arabischen Originalausgabe:
Âyiza itgawwiz
Copyright © 2007 by Dar al-Schurûk
Copyright © der deutschen Übersetzung
2010 by Lenos Verlag, Basel
Alle Rechte vorbehalten
Satz und Gestaltung: Lenos Verlag, Basel
Umschlag: Anne Hoffmann Graphic Design, Zürich
Umschlagbild: Markus Kirchgessner
Printed in Germany
ISBN 978 3 85787 410 9
Die Übersetzerin
Kristina Bergmann, geboren 1953 in Berlin. Studierte Arabisch in Zü-
rich und Kairo. Korrespondentin der Neuen Zürcher Zeitung für Ägypten,
Libyen, den Sudan und den Nahen Osten. Autorin mehrerer Sachbücher
und eines Romans. Lebt in Kairo.
Die Übersetzung aus dem Arabischen wurde mit Mitteln der Schweizer
Kulturstiftung Pro Helvetia unterstützt durch litprom Gesellschaft
zur Förderung der Literatur aus Afrika, Asien und Lateinamerika e.V.
Ich will heiraten!
Inhalt
Prolog 9
Warum will ich eigentlich heiraten? Fünfzehn Gründe 15
Der Erste 19
Ich bin keine Null 25
Der Zweite 29
Über Zartheit und Weiblichkeit 35
Der Dritte 39
Wohlerzogene Mädchen 47
Der Vierte 53
Zur Verteidigung der wehrhaften Ägypterin 65
Der Fünfte 73
Happy Valentine 83
Der Sechste 89
Dichterin mit Durchblick 107
Der Siebte 115
Wie man sich einen Bräutigam angelt 133
Los, lasst uns angeln! 141
Der Achte 149
Alte Jungfer 171
Der Neunte 175
Warum viel bezahlen, wenn es auch günstig geht? 185
Der Zehnte 191
Diese Heimlichtuerin hat sich verlobt! 201
Die Frau von dreissig 207
Epilog 211
Eine letzte Sache noch 213
Nachwort von Kristina Bergmann 215
9
Prolog
Also mal eins nach dem andern: Sind wir uns einig, dass
Heirat, Bräutigam und späte Eheschliessung heikle Themen
sind? Es ist nämlich ausgesprochen schwierig, in Ägypten
jemanden zu finden, der offen darüber spricht vor allem
junge Frauen. Wenn es doch eine tut, gilt sie als schlecht
erzogen und versessen aufs Heiraten oder aber als notorische
Eheverächterin.
Deshalb gibt es eine Menge junger Frauen, die sagen:
»Vergiss das Heiraten. Was haben denn die Verheirateten
von der Ehe?« Oder: »Ich wohne bei meinen Eltern, und
mir geht es gut. Soll ich mich etwa von einem, den ich noch
nicht einmal richtig kenne, schlecht behandeln lassen?«
Oder: »Ich denke erst einmal an meine berufliche Zukunft
und plane jetzt keine Heirat.« Oder sie wiederholen den ab-
gedroschenen Satz aus dem arabischen Kino: »Ich heirate
erst, wenn ich mich selbst verwirklicht habe.« Keine Ah-
nung, was Selbstverwirklichung bedeutet und wie man die
gedeichselt kriegt.
Vielleicht gibt es viele junge Frauen, die bei ihrer Ausbil-
dung und im Beruf eine Menge Ehrgeiz entwickeln. Aber
ich wette, dass trotzdem ihr eigentliches Ziel die Heirat ist.
Zumindest, weil das die einzige Möglichkeit ist, Mutter zu
werden.
Einigen wir uns ausserdem darauf, dass die Anzahl junger
Frauen in Ägypten grösser als die junger Männer ist. Das ist
ein grundlegender Punkt, und ich will nicht, dass irgend-
jemand anfängt, mit mir darüber zu diskutieren. Verschont
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mich bloss mit den Statistiken der Regierung, laut denen
es gleich viele Buben und Mädchen gibt. Das ist genau wie
mit den Temperaturen, die sie in den Nachrichten nennen:
Die Leute schren bei allem, was ihnen heilig ist, dass es
über 45 Grad heiss sei, doch im Wetterbericht überschreiten
die Temperaturen nie 38 Grad. Ein Freund meines Vaters
hat mir anvertraut, dass es verboten sei, höhere Temperatu-
ren als 42 Grad bekanntzugeben. Der Grund dafür sei die
Angst, dass die Touristen nicht mehr kämen. Genauso ver-
hält es sich mit der Anzahl von Männern und Frauen.
Warum gibt es also mehr Mädchen? Ich sags euch: Eine
Menge Frauen kriegen Kinder und Kinder, bis sie endlich
einen Buben in die Welt setzen. Es gibt also viele Familien,
die haben vier, fünf oder sechs Mädchen und einen Jungen.
Eine Frau bekommt ein Mädchen nach dem andern, bis sie
endlich den von ihrem Mann ersehnten Knaben gebärt
Wor braucht der den? Keine Ahnung. Vermutlich wird
er ein Nichtsnutz. Die ganze Familie verwöhnt ihn, bis er
llig verdorben ist und sie ihm das letzte Hemd gegeben
haben. Na ja, das ist ein andres Thema.
Jedenfalls wird jeder, der an irgendeiner Uni in Ägypten
studiert, merken, dass die Anzahl der Studentinnen die der
Studenten übersteigt. An meiner Fakultät machten die jun-
gen Frauen zwei Drittel aller Studierenden aus.
Jetzt etwas ganz andres: Die Männer sind eingebildet
und fühlen sich den Frauen gegenüber überlegen. Herr im
Himmel, lass sie zur Hölle fahren! Guckt euch mal einen
Mann und seine Mutter an, wenn sie auf Brautsuche sind.
Dann stellen sie Bedingungen: Die Braut soll weisshäutig
sein, helle Haare und goldfarbene Augen haben (also ja
11
keine schwarzen) und glichst Nelly Karîm
*
ähnlich se-
hen … Ihr Mistkerle! Guck doch mal in den Spiegel, mein
Lieber – oder besser nicht! Man sagt ja, ein Mann kann nur
einen Fehler haben, nämlich einen leeren Geldbeutel …
Okay, komm uns ruhig besuchen, und wenn es nur mit
einer Schachtel Bonbons ist. Aber nein, er und seine Mutter
erscheinen zur »Besichtigung« der Braut mit leeren Hän-
den! Dabei haben die Eltern des Mädchens viel Geld in die-
ses Treffen gesteckt. An der jungen Frau ist absolut nichts
auszusetzen, trotzdem sagen die beiden: »Ach nein, sie sieht
doch nicht genau wie Nelly Karîm aus, eher wie Nagla Fa-
thi
**
. Ist nicht unser Typ.« Als würde Hussain Fachmi
***
um
ihre Hand anhalten …
Und die Hochzeiten, ein absoluter Witz! Diese Szene
kennt ihr doch aus alten ägyptischen Filmen: Eine junge,
schick angezogene Frau taucht auf, Männer versammeln
sich um sie und verschlingen sie mit den Augen Also
die verlässt den Saal garantiert nicht ohne Bräutigam! Sol-
che Menschenaufläufe gibts übrigens heute noch, nur um-
gekehrt, also Frauen gruppieren sich um einzelne Männer.
Mütter hocken neben ihren Töchtern und jagen den jungen
Männern Angst ein. Wehe dem, dem eine Mutter zu nahe
kommt! Dann klingt es etwa so: »Târik, wie gehts dir, mein
* Eine bekannte ägyptische Schauspielerin; sie verkörpert mit ihren
glatten Haaren, den hellen Augen und der schlanken Figur ein Schön-
heitsideal.
** Eine andere Schauspielerin, die mit ihren dunklen Haaren und »ge-
wöhnlichen« Gesichtszügen eher durchschnittlich aussieht.
*** Ein Schauspieler, der in seinen jungen Jahren am Nil als Beau und als
unwiderstehlich galt.
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Junge? Willst du deinen Cousinen nicht guten Tag sagen?
Guck mal, wie hübsch die geworden sind!«
»Ich bin nicht Târik. Und ich glaube, Sie sind nicht
meine Tante«, antwortet der junge Mann.
»Ach wirklich? Ich sehe halt nicht gut. Aber wer bist du
denn? Wer weiss, vielleicht hat uns das Schicksal zusam-
mengebracht«, redet sich die Mutter raus.
Spätestens jetzt rennt der Typ weg. Oder einer seiner
Freunde bemerkt den Hinterhalt, kommt ihm zu Hilfe und
behauptet, jemand suche ihn – dringend.
Dann ist da noch das Tänzeln rund um die Braut. Dabei
achten die jungen Frauen darauf, dass sie auch ja gut im
ganzen Saal zu sehen sind. Und wenn der Tanz zu Ende ist,
schubsen sie sich gegenseitig weg oder tun so, als müssten
sie das Kleid oder den Schleier der Braut in Ordnung brin-
gen. In Wahrheit wollen sie nur auf dem Hochzeitsvideo
*
erscheinen! Überhaupt versuchen sie, so oft wie glich
foto grafiert und gefilmt zu werden. Vielleicht gefallen sie ja
jemandem, und der holt sie aus der Fräuleinhölle.
Übrigens solltet ihr über dieses Thema nicht lachen. Bei
Gott, diese Mädchen sind arme Dinger! Fher mussten
junge Frauen einfach anständig sein und in ihrem Eltern-
haus brav auf den richtigen Mann warten. Meistens wurde
der von ihrer Familie ausgesucht.
Heute müssen die jungen Frauen das Spiel eröffnen. Also
sollten sie ausgehen, arbeiten, ihre Freundinnen besuchen
und auf vielen Hochzeiten »tanzen«. Die Aufgabe, einen
* Auf praktisch jeder Hochzeit wird ein Videofilm gedreht. Er dient
nicht nur der Erinnerung, sondern auch der Brautschau.
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Bräutigam zu finden, schultern sie ganz allein. Ich kenne
eine Menge Fälle, wo sich Eltern mit ihren Töchtern erbit-
tert streiten. Mutter und Vater wollen die Mädchen nämlich
zum Ausgehen und zum Arbeiten überreden. Sonst würden
sie nie einen Bräutigam finden, sagen sie.
Aber ausserhalb von Kairo und Alexandria akzeptiert die
Gesellschaft überhaupt nicht, dass ein junges Mädchen mit
einem Mann ausgeht, um ihn kennenzulernen und später
vielleicht zu heiraten. Die meisten Ägypter lehnen solche
Frauen ab und wollen eine llig Unerfahrene, die noch nie
ausgegangen ist und vorher nie mit einem fremden Mann
gesprochen hat.
Was sollen die jungen Frauen also tun? Zumal die Uhr
tickt, sobald sie ihr Studium beendet haben. Wenn das
Mädchen zwei, drei Jahre lang nach dem Uniabschluss un-
verlobt bleibt, gilt sie schon als alte Jungfer! Ich persönlich
hatte mit dreiundzwanzig Jahren bereits das Gefühl, zum
Ladenhüter zu werden.
Ehrlich gesagt, ist das eine Mistgesellschaft, in der wir
leben. Sie bewertet die junge Frau nur danach, ob sie schon
verheiratet ist. Wer früh heiratet, gilt als tüchtig, und wer
spät heiratet, muss irgendeinen Fehler haben … Der Mann
darf hingegen auswählen und Bedingungen stellen. Und
wenn er viele Frauen kennengelernt hat, gilt er als offen und
clever. Auch wenn er über vierzig ist, darf er jederzeit heira-
ten, sogar ein Mädchen von achtzehn Jahren.
Diese Gesellschaft ist ungerecht und brutal.
Und deshalb bin ich Bride (das heisst Braut auf Englisch
ich bin nämlich gebildet). Ich habe beschlossen, über dieses
14
Thema zu schreiben und es von allen Seiten auszuleuchten,
damit es auch der Letzte kapiert. Kapiert, dass die Mädchen
arm dran sind und der Druck auf sie wächst. Kapiert, dass
die Leute die ledigen Frauen für etwas verantwortlich ma-
chen, wofür diese gar nichts können.
Passt auf, und hört mir einfach zu. Ich werde euch von ein
paar schlimmen Heiratskandidaten erzählen, die um meine
Hand angehalten haben, damit ihr erfahrt, was wir alles er-
tragen müssen …
15
Warum will ich eigentlich heiraten?
Fünfzehn Gründe
Manchmal, wenn ich allein bin, denke ich darüber nach,
warum ich überhaupt heiraten möchte. Es geht mir doch auch
unverheiratet glänzend, ich bin ausgebildete Apothekerin,
werde respektiert und verdiene Geld ist das etwa nichts? Ich
bin am Leben, esse, trinke, schlafe, gehe aus, sehe mir Filme
im Kino an, gucke Rotana
*
, kurz: Alles ist bestens.
Aber manchmal habe ich plötzlich den dringenden
Wunsch zu heiraten. Vermutlich wollen das alle Mädchen,
und egal aus welcher Schicht sie stammen und ob sie hoch-
gebildet oder Analphabetinnen sind, beschleicht sie das ge-
nau gleiche Gefühl. Eine wird dann sagen: »Ich will heira-
ten, um Kinder zu kriegen.« Eine andre: »Ich will heiraten,
um nicht als alte Jungfer zu enden.« Und eine Dritte: »Ich
will heiraten, um von meiner Familie loszukommen und
mein Leben zu geniessen.« Das ist natürlich Unsinn, aber
was soll sie sonst tun? Eine Vierte sagt: »Ich will einen Sohn
bekommen, der so toll wie Saladin
**
wird.«
Ich habe ganz andre Gründe. Ich denke auch nicht, dass
es mein gutes Recht ist, zu heiraten. Mir sind die kleinen
Dinge des Lebens wichtig, wie es schon Mervet Amîn
***
im
* Einer der bekannten Musikfernsehkanäle in der arabischen Welt.
** Sultan von Ägypten. Er besiegte im zwölften Jahrhundert die Kreuz-Sultan von Ägypten. Er besiegte im zwölften Jahrhundert die Kreuz-
ritter, eroberte Jerusalem und gilt in der arabischen Welt bis heute als
Vorbild.
*** Seit den 1960er Jahren ist die Schauspielerin wegen ihres Aussehens
und ihrer süssen, prüden Art ausgesprochen beliebt.
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Film Der Zug ist weg, mein Sohn gesagt hat. Am liebsten
würde ich zwar zurückgeben: »Nimm doch den nächsten«,
aber sonst ist das ein super Film.
Wie auch immer, hier sind fünfzehn Situationen, in denen
ich einen Ehemann brauchen könnte:
Eins: Wenn die Gasflasche leer ist und jemand sie wech-
seln muss. Das gehört übrigens zu den hauptsächlichen
Pflichten des Ehemanns.
Zwei: Wenn eine Kakerlake im Haus ist und ich zittere
und sie nicht töten kann. Allerdings wäre es eine Tragödie,
wenn auch er Angst vor ihr hätte.
Drei: Wenn wir zu Mittag essen, Papa und Mama sich
die Hühnerbeine geschnappt haben und für mich nur die
Brust übrig bleibt. Er sollte mich beim Kampf um einen
Schenkel unterstützen. Aber was ist, wenn auch er keine
Brust mag?
Vier: Wenn ich die Matratzen aufs Dach an die Sonne
schaffen will und Hilfe brauche.
Fünf: Wenn ich in Begleitung ins Kino gehen will.
Sechs: Wenn ich im Minibus gestossen, bedrängt und
belästigt werde. Aber nur wenn er nicht damit beschäftigt
ist, das Mädchen neben sich anzumachen.
Sieben: Wenn ich nach einem Krach mit meiner Chefin
nach Hause komme und meine Wut an jemandem auslas-
sen möchte. Meine Eltern darf ich nicht beschimpfen, denn
dann komme ich in die Hölle – ihn aber schon, oder?
Acht: Wenn eine Freundin bei mir ist und ihr Mann sie
anruft und ihr sagt, sie habe den Herd angelassen und nun
sei die Wohnung abgebrannt.
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Neun: Wenn ich nachts allein im Bett liege (an die »un-
anständigen« Dinge will ich lieber nicht denken ). Min-
destens wird er mich mit seinem Körper davor bewahren,
aus dem Bett zu fallen.
Zehn: Wenn meine Mutter etwas kocht, das ich nicht mag.
Ich nnte dann nämlich selbst nach meinem Gusto kochen.
Elf: Wenn meine Mutter mir verbietet, auf dem Balkon
aussortierte Gegenstände zu stapeln und in der Küche leere
Marmeladengläser zu sammeln.
Zlf: Wenn ich Lust auf Aprikosen habe und mir keiner
welche kaufen will. Wäre ich verheiratet, würden alle losren-
nen, weil ich ja eventuell Schwangerschaftsgelüste
*
hätte.
Dreizehn: Wenn im Fernsehen Nancy Agram oder Haifa
Wahbi
**
singen, mich nervös machen und ich jemanden
brauche, an dem ich mich abreagieren kann.
Vierzehn: Wenn ich so was wie das jetzt schreibe und
übersehe, dass die Nummer sechs fehlt … hahaha, hab euch
reingelegt!
Fünfzehn: Denkt doch selbst über die Nummer fünfzehn
nach! Ich bin jetzt total erschöpft.
Hier habt ihr also fünfzehn Gründe, warum ich manch-
mal heiraten möchte. Es gibt aber auch Zeiten, zu denen
ich das überhaupt nicht will. Und sogar bereit bin, unver-
heiratet zu bleiben.
* In Ägypten gilt die Regel, dass die unter allen Umständen befriedigt
werden müssen, damit der Embryo nicht zu Schaden kommt.
** Die beiden bekanntesten Schlagerstars am Nil kommen aus dem Li-
banon. Ihr sexy Gehabe und ihre Seichtheit gefallen vielen, erregen aber
auch Wut.
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Der Erste
Wie sagte Anwar Wagdi
*
im Film Der Prinz der Rache so
schön? »Zum Glück ist das nur ein arabischer Film
**
.«
Meine erste Begegnung mit einem Heiratskandidaten war
auch ein »arabischer Film«, ausserdem eine Komödie und
obendrein ein »indischer Film«
***
.
Ich war mit einer jungen Frau befreundet, die gerade ge-
heiratet hatte ich war bei ihrer Hochzeit gewesen. Zwei
Wochen danach rief sie mich an. Ich erzählte ihr, dass eine
gemeinsame Bekannte einem Mädchen einen Bräutigam
besorgt habe. Ich fände das grossen Mist, meinte ich. Damit
säe man nur Zwietracht, denn jede Heiratswillige frage sich
anschliessend: Warum hat der die und nicht mich genom-
men? Und danach seien alle sauer und redeten nicht mehr
mit der Vermittlerin.
»Da kannst du mal sehen, was unsre Bekannten so trei-
ben«, ereiferte ich mich. »Aber vielleicht bist du ja auch so.
Warum hat dein Mann eigentlich gerade dich geheiratet?
Bestimmt, damit du für seine Verwandten und Bekannten
eine Braut suchst, oder?«
Meine Freundin versuchte, mich zu unterbrechen, aber
ich war voll in Fahrt und fuhr ungebremst mit meinen
* Ein verstorbener, fher sehr bekannter Schauspieler, der als wahrer,
guter Mann galt.
** Ein typischer Ausdruck. Er macht klar, dass die Situation zwar
schlimm, aber eigentlich komisch ist.
*** Eine Redewendung; sie soll den Kitsch und die Übertreibung einer
Lage zeigen.
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Verdächtigungen fort. Bis sie sagte: »Nun sei endlich still!
Mein Mann hört vom andern Telefon aus mit. Er will näm-
lich sicher sein, dass du eine Liebebist, weil er eventuell
einen Bräutigam für dich hat.«
Nun wurde ich ganz sanft schliesslich will auch ich
heiraten. »Ich hab nur Spass gemacht, du kennst mich ja.
Klar bin ich lieb – die Liebste weit und breit.« Ich hörte ein
Brummen ihres Mannes.
»Ich weiss, ich weiss«, sagte sie. »Also was meinst du?«
Wir machten einen Termin zwischen meiner und der Fa-
milie des Anwärters aus. Das hört sich einfacher an, als es
ist. Für den Heiratskandidaten ist so ein Besuch keine grosse
Sache. Er badet, seine Mutter wäscht für ihn ein Hemd und
eine Hose, und seine Schwester bügelt beides. Der Mann
soll gut aussehen, aber mehr muss nicht getan werden
Das Haus der Braut dagegen – also meins – wird komplett
auf den Kopf gestellt. Da werden Böden gewischt, Treppen
gefegt, Wände geschrubbt, Teppiche gesaugt, Fenster ge-
putzt, Gardinen gewaschen und Gser poliert. Und nach
all der Mühe muss die Braut also ich sich auch noch
herausputzen …
Nun gut. Der Heiratskandidat kam mit seiner Mutter und
seiner Schwester. Er ist übrigens ein Doktor. Aber wie der
angezogen war, du meine Güte! Und seine Mutter und
seine Schwester, haben die keine Spiegel zu Hause?, fragte
ich mich. Vor allem die Farben unsäglich! Der Typ trug
ein knallgelbes Hemd, eine blaue Hose, einen grünen
Pullover und eine bunte Krawatte eine unbeschreibli-
che Kombination. Als er seine Beine übereinanderschlug,
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sah ich, dass er violette Socken anhatte! O Gott, o Gott!
Trotzdem sagte ich mir: Er ist zwar ein papageifarbener
Anwärter, aber vielleicht sonst in Ordnung. In Wirklich-
keit hatte er abstehende Ohren, eine Glatze und schiefe
Zähne. Aber das Entscheidende sind ja der Verstand und
die Persönlichkeit!
Als mein Vater in den Salon kam, stand der Heiratskan-
didat auf. Das gefiel mir, und ich dachte: Mindestens ist er
höflich.
Dann stellte seine Mutter ihn vor: »Dr. Sâmi, Physiothe-
rapeut.«
Und er sagte, wohl um ihre Einführung zu präzisieren:
»Ich imitiere auch Künstler.«
Das darf doch nicht wahr sein. Ich versuchte mir das La-
chen zu verkneifen. Da sassen wir also bei einer Brautschau
und redeten über die Kunst der Parodie! Er erzählte über
seine Erfolge als Stimmenimitator, und seine Mutter schien
begeistert.
Ptzlich schaute Dr. mi auf seine Uhr und dann rü-
ber zu meinem Vater. Ob der junge Mann nun einen Hei-
ratsantrag machen wollte? Er sagte zu meinem Vater: »Darf
ich Ihnen eine Frage stellen? Und auf eine ehrliche Antwort
hoffen?«
Mein Vater bekam es offensichtlich mit der Angst zu tun
(er hatte schliesslich zum ersten Mal derartigen Besuch),
sagte aber: »Klar, nur zu.«
»Funktioniert Ihr Fernseher?«
Mein Vater erschrak und sagte: »Ja, mein Junge, der
geht.«
Da stand der Beau auf und schaltete den Fernsehapparat

Ghada Abdelaal
Ich will heiraten!

Partnersuche auf Ägyptisch

Aus dem Ägyptisch-Arabischen von Kristina Bergmann


Lenos Pocket 156
Paperback
ISBN 978-3-85787-756-8
Seiten 218
Erschienen Februar 2012
€ 14.50 / Fr. 18.00

Schon der Titel des Buches, die Worte 'Ich will heiraten!' aus dem Munde einer jungen Ägypterin, ist eine Provokation. Während junge Männer diesen Satz gern gebrauchen, geziemt sich dies im mehrheitlich konservativen Land am Nil für eine 'anständige' ägyptische Frau nicht. Da es zudem als unschicklich gilt, Männer unverbindlich kennenzulernen, bleibt nur der übliche Weg der Eheanbahnung, die 'Salonheirat' im Hause der Braut. Ghada Abdelaal, die seit mehreren Jahren den vielbeachteten Blog 'Wanna b a bride' betreibt, stellt die Salonheirat in den Mittelpunkt ihres Buches. Bride, eine ledige junge Frau, beschreibt die teils komischen, teils grotesken Situationen, in denen sich zehn Männer bei ihrer Familie als Heiratskandidaten empfehlen. Da gibt sich einer als Arzt aus, obwohl er noch nicht mal ein Studium abgeschlossen hat; ein anderer lebt ganz nach der Scharia, dem islamischen Recht, und möchte sie als Drittfrau ehelichen; ein weiterer schliesslich beauftragt die Sittenpolizei, Erkundigungen über Bride und ihre Familie einzuholen. Die Absurdität der Begegnungen, die Schwächen der potentiellen Bräutigame und das lächerliche Verhalten der Bräute in spe machen das Buch zu einem Lesevergnügen der besonderen Art. Ghada Abdelaal nennt die Dinge locker beim Namen und geisselt mit ihrem Humor die Traditionen. Wer aber hinter der Komik auch die Tragik der Ägypterinnen sieht, versteht die eigentliche Absicht der Autorin.

Pressestimmen

Abdelaal ist eine scharfsinnige und witzige Beobachterin, ein lebhafter Geist, der die erdrückenden Traditionen aufzubrechen sucht.
— BBC News
Mit funkelndem, grimmigem Witz führt sie ihre dubiosen Heiratskandidaten vor und reflektiert die Absurditäten des Geschlechterverhältnisses in ihrer Heimat.
— Neue Zürcher Zeitung
Ein komisches und rührendes Buch, in dem man lachend manches über die ägyptische Gesellschaft erfährt.
— Tages-Anzeiger
Bridget Jones auf Arabisch.
— Berliner Zeitung