rer Gegend an, die zu Fuss nach Istanbul unterwegs waren.
Die Flucht dauerte zwei Monate. In Istanbul erkannte mich
ein Soldat aus unserem Dorf; er kümmerte sich um mich
und schickte mich mit der nächsten Karawane zurück nach
Birseit. Ohne ihn wäre ich wohl nie wieder nach Hause
zurückgekehrt. Das war die erste und letzte Reise meines
Lebens.« Als die Türken in Ramallah, zehn Kilometer von
Birseit entfernt, von den Engländern besiegt wurden, kam
es zu einem Waffenstillstand. Die Flüchtlinge kehrten nach
und nach zurück. Ihre Häuser waren von den Türken ge-
plündert worden, die Felder abgeerntet.
Ein andermal erzählte Grossmutter, wie es dazu kam,
dass die Frauen im Dorf Schuhe tragen durften. Als Anfang
des 20. Jahrhunderts die ersten einfachen Lederschuhe auf-
kamen, waren sie den Männern vorbehalten, obwohl gerade
die Frauen bei ihrer harten Arbeit auf dem Feld oft wunde
Füsse hatten.
»Wir Frauen besassen zwar Schuhe, aber es ziemte sich
nicht, sich damit im Dorf zu zeigen. So zogen wir sie erst
ausserhalb des Dorfes an. Als wir eines Tages mit schweren
Holzbürden auf dem Kopf ins Dorf zurückkamen, beeilten
wir uns wie immer, die Schuhe rechtzeitig auszuziehen und
zwischen dem Holz zu verstecken. Aber Salma, Mansûrs
Tochter, hatte wunde, schmerzende Füsse und beschloss, die
Schuhe nicht auszuziehen. Kaum war sie zu Hause ange-
kommen, stürzte sich ihr Vater mit einem Stock wütend
auf sie: ›Wie wagst du es, mir diese Schande anzutun! Das
ganze Dorf spricht über die Tochter des Mansûr.‹
›Bitte, Vater‹, flehte sie, ›im Namen der heiligen Ma-
ria und des heiligen Georg, hör mich an, bevor du mich