LENOS
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Lenos Verlag
Nathacha Appanah
Das grüne Auge
Roman
Aus dem Französischen
von Yla M. von Dach
Die Übersetzerin
Yla M. von Dach, geboren 1946, lebt als freischaffende Übersetzerin
und Schriftstellerin in Paris und Biel. Sie hat u. a. Nicolas Bouvier,
Sylviane Chatelain, Catherine Colomb, François Debluë, Marie-
Claire Dewarrat, Sandrine Fabbri, Alice Ferney, Janine Massard,
Sylviane Roche, Catherine Safonoff, Henri Troyat, Alexandre Voi-
sard und Yvette Z’Graggen übersetzt. Ihre Übersetzungen wurden
mehrfach ausgezeichnet, u. a. erhielt sie 2000 den Prix lémanique de
la traduction, 2016 den Terra Nova Preis Übersetzung der Schweize-
rischen Schillerstiftung und 2018 den Spezialpreis Übersetzung des
Bundesamts für Kultur.
Die Übersetzerin und der Verlag danken der Schweizer Kulturstif-
tung Pro Helvetia für die Unterstützung.
Titel der französischen Originalausgabe:
Tropique de la violence
Copyright © 2016 by Éditions Gallimard, Paris
Erste Auflage 2021
Copyright © der deutschen Übersetzung
2021 by Lenos Verlag, Basel
Alle Rechte vorbehalten
Satz und Gestaltung: Lenos Verlag, Basel
Umschlagfoto: Wilhan José Gomes / Pixabay
Printed in Germany
ISBN 978 3 03925 012 7
Das grüne Auge
Grande
Comore
Mohéli
Anjouan
Mayotte
(Frankreich)
MAMOUDZOU
!
"
Passamainti
"
Dzaoudzi
Dziani-See
"
Kaweni
"
Kani Keli
"
Pamandzi
Petite-Terr
e
Grande-Terre
"
Longoni
"M’tsapéré"
Combani
MAYOTTE
Strand von
Bandrakouni
»Dort?«, fragte ich.
»Dort«, antwortete Gatzo. »Es ist ein schönes Land.«
Henri Bosco, L’Enfant et la rivière
L’Enfant et la rivière (1945). Die im Buch zitierten Stellen wurden
folgender deutschen Ausgabe entnommen: Die schlafenden Wasser.
Aus dem Französischen von Renate Nickel und Wolfgang Stammler.
Stuttgart: Freies Geistesleben 1998.
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Marie
Sie müssen mir glauben. Woher ich zu Ihnen spre-
che, da nützen falscher Schein und Lügen nichts.
Wenn ich den Meeresgrund betrachte, sehe ich Män
-
ner und Frauen mit Dugongs und Quastenflossern
schwimmen, ich sehe Träume an den Algen hängen
und Säuglinge in den Weihwasserbecken schlafen.
Von da, wo ich zu Ihnen spreche, gleicht dieses Land
einem glühenden Staubkorn, und ich weiss, dass ein
Nichts genügen wird, damit es Feuer fängt.
Ich erinnere mich nicht an mein ganzes Leben,
denn hier bleibt nur der Rand der Dinge übrig und
das Geräusch von allem, was nicht mehr ist.
Daran erinnere ich mich.
Ich bin dreiundzwanzig, und der Zug fährt ein,
blau und schmutzig. Ich verlasse das Tal meiner
Kindheit, wo ich ein schwaches, verlorenes, von den
Bergen erdrücktes kleines Ding war. Ich kann das
Schwarz des Winters nicht mehr sehen, das auf die
Häuser und die Gesichter heruntertropft, ich er
-
trage den Schimmelgeruch nicht mehr, der schon
frühmorgens in der Luft liegt, ich ertrage meine
Mutter nicht mehr, die den Kopf verliert, dauernd
redet und den ganzen Tag Chansons von Barbara
hört.
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Ich bin vierundzwanzig und immer noch gleich
schwach und verloren. Ich schliesse in einer grossen
Stadt meine Ausbildung zur Krankenschwester ab.
Ich lebe in einer geräumigen Wohnung mit drei an
-
deren Studentinnen zusammen, und es gibt Abende,
da wirken der Lärm, das Licht und die Gespräche auf
mich wie ein schwarzes Loch, das mich verschlingt.
Ich habe mehrere Liebhaber, ich bumse wie eine Frau,
die ich nicht kenne und die mich ein wenig anekelt.
Ich nehme, verlasse, nehme von neuem, und niemand
sagt etwas. Ich beschliesse, nachts zu arbeiten, im
Krankenhaus. Manchmal strecke ich mich auf den
aufgedeckten, noch warmen Betten aus und versuche
mir vorzustellen, wie es ist, jemand anders zu sein.
Ich bin sechsundzwanzig, und ich lerne Cham
-
sidine kennen, der Krankenpfleger ist wie ich. Als
er mich zum ersten Mal anspricht, geschieht etwas
Merkwürdiges mit mir. Mein Herz, dieses solide in
meiner Brust befestigte Organ, sinkt in meinen Ple
-
xus hinunter und schlägt von nun an hier, in mei-
ner Mitte, meinem Zentrum. Chamsidine hat breite
Schultern und kann einen erwachsenen Mann in den
Armen tragen, ohne das Gesicht zu verziehen. Wenn
er lächelt, muss ich tief in den Bauch atmen, um
nicht ohnmächtig zu werden. Wenn er lacht, mit
seinem schallenden, sprudelnden Lachen, spüre ich,
wie mein Geschlecht sich öffnet wie eine Blume,
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und ich presse die Beine zusammen. Alle Kran-
kenschwestern sind ein bisschen in diesen grossen
Schwarzen vernarrt, der von einer Insel kommt, die
Mayotte heisst, aber er entscheidet sich für mich, ich
weiss nicht, warum, an einem Abend, als ich Dienst
habe. Ich bin schüchtern, vor diesem Mann. Ich bin
sechsundzwanzig und ich falle. Er spricht zu mir, als
hätte er schon lange auf mich gewartet. Er erzählt
mir Geschichten und Legenden aus seiner Heimat,
erzählt, was ihm als Kind passiert ist, wie er ein
-
mal dies gemacht hat, wie ihm seine Mutter jenes
sagte, und ich höre wortlos zu, hingerissen. Ich habe
das Gefühl, Cham habe auf einer fruchtbaren grünen
Kinderinsel gelebt, einer Insel, auf der von morgens
bis abends gespielt wird und wo die Tanten, Cou
-
sinen und Schwestern alles wohlwollende Mütter
sind. Wenn ich morgens aufstehe in der lärmigen
Stadt, denke ich an dieses Land.
Ich bin siebenundzwanzig und ich heirate. Ich
erinnere mich nicht an mein Kleid, aber ich erin
-
nere mich, dass meine Mutter mit mir vor dem Rat-
haus wartet. Der Wind ist so stark, dass er die Töpfe
mit den Buchsbäumen, die im gepflasterten Hof des
Rathauses stehen, umgeworfen hat. Chamsidine ver
-
spätet sich. Meine Mutter sagt Pass auf, Marie, die
Männer sind alle gleich. Da kommt Cham dahergelau
-
fen, er lacht.
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Ich bin achtundzwanzig und lebe auf Mayotte,
einer französischen Insel, die in der Strasse von
Mosambik liegt. Wir haben den ersten Stock eines
Hauses in der Gemeinde Passamainti gemietet, ein
paar Kilometer von der Hauptstadt Mamoudzou
entfernt. Ich arbeite als Nachtschwester im
CHR,
dem Regionalkrankenhaus. Chamsidine hat eine
Stelle in der Klinik von Dzaoudzi. Jeden Morgen,
wenn ich um sechs Uhr früh meinen Dienst beende,
gehe ich, wie auch immer meine Nacht gewesen ist,
wie hart der Dienst auch gewesen sein mag, lang
-
sam, leicht, so leicht durch den Morgen. Ich laufe
den Abhang hinunter und weiss, dass das kleine
Mädchen auf mich wartet. Sie ist rot vom Staub,
ihre Hände und Füsse sind grob wie jene der Ar
-
beiter, ihre Haare schmutzig und grau. Sie wartet
auf mich und lächelt. Bevor ich den Dienst verliess,
habe ich aus der Cafeteria mitgenommen, was her
-
umlag, eine Packung Kekse, eine Orange, einen Ap-
fel. Zwischen ihr und mir ist eine seltsame Verbin-
dung entstanden, seit ich hier arbeite. Ich bleibe vor
ihr stehen, sie lächelt mich an, und ich gebe ihr, was
ich zu geben habe. Sie sagt nie etwas, nie guten Tag,
nie danke, nie auf Wiedersehen. Sie streckt rasch die
Hand aus, ich spüre, dass sie nicht den Eindruck er
-
wecken will, sie bettle, übrigens sieht sie mich an, sie
blickt mir in die Augen, nie auf das, was ich ihr in
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die Hand lege. Sie schliesst sogleich die Finger und
versteckt ihre Hand hinter dem Rücken. Ihr Lächeln
wird etwas breiter. Das ist ein kleiner Bonus, dem
kleinen Nichts entsprechend, das ich ihr gebe. Ich
weiss nicht, ob sie Französisch versteht. Ich habe ihr
nie meinen Namen gesagt und sie nie nach ihrem
gefragt. Vielleicht lebt sie in der Wellblechhütte,
die ich zwischen den kümmerlichen Bäumen auf
dem Hügel erkenne. Vielleicht lebt sie versteckt in
den Wäldchen wie viele Familien illegaler Einwan
-
derer. Vielleicht wird das, was ich ihr gebe, unter
mehreren Leuten geteilt. Vielleicht. Aber an diese
Sachen denke ich nicht viel. Ich tue, was ich tue,
das kostet mich nichts, sie muss mir deswegen nicht
dankbar sein, es dauert kaum dreissig Sekunden, ich
gehe weiter und vergesse das kleine Mädchen.
Ich verlangsame den Schritt vor der bunten Men
-
schenansammlung, die darauf wartet, dass die Büros
der Präfektur aufmachen. Die Gespräche scheinen
unbeschwert, die Sonne ist noch zurückhaltend.
Die blauweissrote Flagge flattert hoch. Vor dem
geschlossenen Gitter kann man noch darauf hoffen,
eine Nummer zu ergattern, dank der man bei einem
Beamten vorstellig werden und ihm, endlich, sei
-
nen Fall, sein Leben, das Wie und Was erklären, die
Unterlagen mit dem Gesuch um eine Aufenthalts
-
erlaubnis hinterlegen, eine Empfangsbescheinigung
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verlangen, sich nach einer Aufenthaltskarte erkun-
digen, auf eine Verlängerung, auf Gehör, einen Auf-
schub, ein »Sesam, öffne dich« hoffen kann.
Auf der anderen Seite des Gehsteigs, sozusagen
gegenüber, befindet sich eine andere bunte Men
-
schenansammlung, jene vor der Krankenstation. Pro
Tag werden hundert Nummern verteilt, und es gibt
Leute, die seit vier Uhr morgens warten. Auch hier
ist es noch ruhig. Wenn ich vorbeikomme, berüh
-
ren sich die beiden Gruppen fast, ich bin mitten-
drin, ich frage mich, wie viele von ihnen, rechts oder
links, in Kwassa-kwassas hier gelandet sind, diesen
behelfsmässigen Booten, in denen sich die illegalen
Einwanderer zusammendrängen, die von den ande
-
ren Inseln des Komorenarchipels herüberkommen.
Ich erinnere mich an dies: Ich schlängle mich
unauffällig zwischen den beiden Gruppen durch,
als würde ich zwischen zwei scharfen Messerklingen
durchschlüpfen, und einmal auf der anderen Seite
angekommen, kann ich nicht anders, als tief Luft zu
holen, wie erleichtert.
Ich gehe weiter bis zum Pier; unterwegs kaufe
ich Bananen, Paprika, Tomaten. Ich atme die Gerü
-
che dieses Landes ein, das ich so liebe, ich schaue auf
den Grund des Wassers, ich bewundere die Frauen.
Ich beobachte gern die Kinder, die in der Reede tau
-
chen. Sie nehmen auf der Betonmole Anlauf, ihre
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dünnen schwarzen Beine flitzen rasend schnell vor-
bei. Am Ende angekommen, springen sie mit an-
gezogenen Knien, ausgebreiteten Armen und einem
Freudenschrei in den Ozean.
Wenn die Fähre einläuft, dieses blauweisse Boot,
das zwischen Petite-Terre und Grande-Terre hin-
und herfährt, sehe ich schon von weitem Cham, je
-
den Tag schöner, jeden Tag unwirklicher in seiner
Art, wie er mir gehört.
Wir gehen nach Hause, wir schlafen, wir lieben
uns und erwachen mitten am Tag. Wenn ich nicht
arbeite, betrachte ich gern die Nacht von unserem
Balkon aus. An gewissen Stellen ist sie blau, an an
-
deren schwarz. Die Sterne drängen sich zu Hunder-
ten am Himmel. Ich liebe es, den Flügelschlag der
Flughunde zu vernehmen. Auf der glatten Fläche
des Meeres bewegen sich gelbe Punkte, wie Glüh
-
würmchen. Es sind die Lichter der Fischerboote, die
mit einer am Mast aufgehängten Öllampe ausfah
-
ren, um die Fische anzulocken.
Ich habe eine solche Lust auf dieses Land, eine
Lust, alles zu nehmen, alles zu verschlingen, das
Meer Schluck für Schluck, den Himmel Happen für
Happen.
Ich bin neunundzwanzig, und Sie müssen mir
glauben. Jeden Tag steigert sich die Erwartung, je
-
den Tag wächst die Hoffnung, ein Kind zu bekom-
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men. Ich bete die Monate mit Träumen, Lachen und
Liebkosungen herunter. Abzählreime steigen aus
meiner Kindheit herauf wie durch Zauber, Tourne
tourne petit moulin frappent frappent petites mains, Dreh
dich dreh dich Mühlenrädchen, klatscht o klatschet Händ
-
chen klein, und mein Kopf ist eine Kalebasse voller
Dinge, die in Reichweite zu liegen scheinen und
sich mir dennoch entziehen. Es gibt so viele Kinder
hier, so viele schwangere Frauen, all diese Babys in
all diesen Armen, warum nicht in meinen? All diese
Babys, die geboren werden, ohne dass man sie sich
überhaupt wünscht, während ich doch bete, flehe.
Wenn das warme Blut in mein Höschen fliesst, je
-
den Monat, dann weine ich und verwünsche alle
diese Mütter, die ich im Krankenhaus sehe, die von
nichts eine Ahnung haben, all jene Illegalen, die ge
-
kommen sind, um auf dieser französischen Insel zu
entbinden, der Papiere wegen, und ich halte mich
zurück, sie zu fragen Willst du es wirklich, dieses Kind,
oder kommst du bloss nach Mayotte, um Papiere zu er
-
halten? Ich verändere mich, ich schwelle an, doch
in mir gibt es nur schlechtes Fett, mir dreht sich
der Kopf, und meine Worte werden scharf wie saure
Milch. Am Morgen gehen mir all diese Bedürftigen,
die auf ihre Papiere warten, und all die anderen, die
auf ihre medizinische Behandlung warten, auf die
Nerven, sie sind zu zahlreich, zu lärmig, zu dies und
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das. Sie müssen mir glauben. Ich verliere den Ver-
stand, ich bin nicht mehr ich selbst. Ich taumle.
Ich bin dreissig, und ich tu nur dies: warten und
weinen.
Eines Tages, im Morgengrauen, während ich im
Krankenhaus gerade meinen Dienst beende, kommt
das Blut. Am Abend zuvor hatte ich ausgerechnet,
sechs Tage verspätet, und mein Kopf, oh, mein
Kopf, wenn Sie wüssten, was in meinem Kopf war,
ich hatte ein Baby, ich hatte einen Namen, ich hatte
Geschichten, Vole vole petit oiseau nage nage poisson dans
l’eau, Fliege flieg o Vögelein, schwimme schwimme Fisch
-
lein mein, es gab eine schöne Zeremonie für mich,
ich war eine Mama in der traditionellen Kleidung
von Mayotte und wurde von Chams ganzer Familie
verehrt wegen dieses Mischlingsbabys, über das sein
Leben lang ein guter Dschinn wachen würde.
Ich passe auf beim Gehen, ich mache mich leicht,
ich spreche Gebete, ich gehe in die kleine Kapelle
von Dzaoudzi und zünde drei Kerzen an. Ich bete
dermassen heftig, dass mir die Ohren sausen. Doch
in der Morgenfrühe rinnt mir das dicke, klebrige
Blut über die Beine, trotz allem, und ich gehe nach
Hause, ich nehme keine Kekspackung, keinen Ap
-
fel, keine Orange mit, und als ich zur Strassenbie-
gung komme, sehe ich sie, doch ich sehe sie nicht
wirklich, ich spüre nur diese Flut zwischen meinen
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Beinen, und ich möchte diese Scheide mit grobem
schwarzem Faden zunähen, damit nichts mehr her
-
ausfliesst. Ohne einen Blick gehe ich an dem kleinen
Mädchen vorüber und höre He, he! Ich drehe mich
um, und sie lächelt mich an, beide Hände so ausge
-
streckt, leer.
Sie müssen mir glauben, ich bin verrückt ge
-
worden. Ich hebe einen Stock auf und laufe auf sie
zu, ich schreie ich weiss nicht was, vielleicht Verpiss
dich, ja, das ist es vielleicht, es ist, als verjagte ich ei
-
nen räudigen Hund. Sie macht sich eilends aus dem
Staub, ich kann ihr nicht folgen, den Hang hinauf,
zwischen Gebüsch und Abfällen. Ich schleudere ihr
den Stock hinterher. Sie schreit, ich auch.
Ich bin einunddreissig, und Cham hat mich ver
-
lassen. Er hat bereits eine andere Frau, eine Komore-
rin, die er ich weiss nicht wo kennengelernt hat. Die
Nutte. Sie trägt bunte Kleider, die ich Clownkos
-
tüme nenne, sie trägt die Sandelholzmaske auf dem
Gesicht, und das macht ihr ein Clowngesicht. Es ist
eine Clown-Nutte. Sie hat einen drallen Hintern,
eine junge schwarze Haut. Willst du jetzt schwarz?
Reisst du dir kleine Illegale auf? Meine Mutter hatte
recht, ihr Männer seid alle gleich. Ist es geil, Neger zu
vögeln? Das frage ich Cham, während das dicke rote
Blut mir über die Beine rinnt und seine Hand auf
meiner Wange landet. In diesem Moment, Sie müs
-

Prix France Télévisions

Nathacha Appanah
Das grüne Auge

Roman

Aus dem Französischen von Yla M. von Dach


E-Book
ISBN 978-3-85787-988-3
Seiten ca. 213
Erschienen 9. März 2021
€ 15.99

Ein schönes Porträt der kleinen Insel im Indischen Ozean, kurz und brutal.
— Le Monde

Eine junge Frau auf einer Insel der Komoren schenkt einem Jungen das Leben. Er hat ein schwarzes und ein grünes Auge, Zeichen eines Fluchs, wie sie glaubt. Verzweifelt bringt sie das Neugeborene auf gefährlicher Route übers Meer auf die Nachbar­insel Mayotte, die zu Frankreich gehört, und überlässt es dort der Krankenschwester Marie. Diese nennt den Jungen Moïse und gibt sich Mühe, dem Kind ein liebevolles Zuhause zu bieten. Doch als Marie unerwartet stirbt, ist Moïse auf sich allein gestellt. Er schliesst sich einer der Jugendbanden an, die die Strassen des Elendsviertels beherrschen, das alle Gaza nennen. Hier behauptet ihr Anführer Bruce mit Drogenhandel und roher Gewalt seine Autorität. Für Moïse eine neue Welt, die ihn auf der Suche nach seinen Wurzeln nicht mehr loslässt.

Nathacha Appanah erzählt mit poetischer Kraft von der brutalen Lebensrealität einer Jugend, die sich selbst überlassen ist. Sie rückt einen wenig beachteten Teil Frankreichs in den Fokus. Und nicht zuletzt ist ihr Roman auch eine Fabel über Abstammung und Identität.

Der Roman wurde mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet, u.a. dem Prix France Télévisions und dem Prix Femina des lycéens. Ausserdem war er nominiert für den renommierten Prix Goncourt.

Pressestimmen

In ihrem so ergreifenden wie poetischen Roman gibt Appanah den Kindern auf der Insel eine Stimme.
— Claudia Kramatschek, Südwestrundfunk
Ein schonungsloses Zeugnis vom wirtschaftlichen und sozialen Elend in einem vergessenen französischen Überseegebiet.
— Le Parisien
Ein unerbittlicher, wunderbarer, grausamer Roman.
— Le Canard enchaîné