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Claude Cueni
Der Bankier Gottes
Roman
Lenos Verlag
Erstmals erschienen 2008 unter dem Titel Gehet hin und tötet.
Der Autor
Claude Cueni, geboren 1956 in Basel. Nach dem frühzeitigen Abbruch der
Schule reiste er durch Europa, schlug sich mit zwei Dutzend Gelegenheitsjobs
durch und schrieb Geschichten. Mittlerweile hat er über fünfzig Drehbücher
r Film und Fernsehen sowie Theaterstücke, Hörspiele und Romane verfasst,
u.a. den Erfolgsroman Der Henker von Paris.
www.cueni.ch.
Erste Auflage 2013
Copyright © 2013 by Lenos Verlag, Basel
Alle Rechte vorbehalten
Satz und Gestaltung: Lenos Verlag, Basel
Umschlaggestaltung und -motiv: Hauptmann & Kompanie, Zürich,
Dominic Wilhelm
Printed in Germany
ISBN 978 3 85787 442 0
Der Bankier Gottes
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VATIKANSTADT »Es ist nur ein Gerücht«, versuchte Luigi
Albertini den alten Mann zu beschwichtigen. Doch jetzt
war es zu spät. Er hatte es ausgesprochen, dieses Gerücht,
und nun saß der ausgemergelte Greis mit dem schütteren
Haar wie eine Mumie in seinem Barocksessel. Er erhob
mühsam die rechte Hand für eine abwehrende Geste, als
wollte er andeuten, dass es nun genug sei. Die Hand sank
kraftlos auf die Armlehne zurück. Die Augen in den tief-
liegenden hlen waren starr auf die Wand gerichtet. Der
alte Mann hatte Angst.
Vereinzelte Regentropfen klatschten gegen die hohen
Glasfenster der päpstlichen Privatgemächer. Der Petersdom
erwachte im Morgengrauen. Nichts würde mehr so sein wie
vorher.
Luigi Albertini kniete neben dem Heiligen Vater nieder
und wiederholte, dass es doch nur ein Gerücht sei. Albertini
war ein gutaussehender Mann von knapp vierzig Jahren,
sportlich durchtrainiert und kein gewöhnlicher Diplomat
des Heiligen Stuhls. Er war als Nuntius mit Spezialauftrag
direkt dem Papst unterstellt. Er war der Nunzio Apostolico
Con Incarichi Speciali, der Geheimagent des Papstes.
»Ich dachte«, sprach der alte Mann mit heiserer Stimme,
»ich würde diesen Sommer nicht mehr erleben. Der Herr
würde mich vorher zu sich rufen. Er hat es nicht getan.
Manchmal fragte ich mich, ob er mich wohl vergessen hat.
Ob auch Gott Dinge vergisst. Doch jetzt ergibt alles einen
Sinn.«
Dem Heiligen Vater versagte die Stimme. Er hustete, ver-
suchte den Schleim aus den verklebten Bronchien zu lösen.
Ein paar Speicheltropfen schlierten über die schmalen Lip-
pen. Er ließ es geschehen. Er hatte ein Leben lang versucht,
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mit dem Rauchen aufzuhören, aber er hatte es nie geschafft.
Weder Gebete noch Kehlkopfoperation, noch Chemothera-
pien hatten ihn zur Vernunft gebracht. Und dennoch gab es
nicht ein einziges Foto, das ihn mit einer Zigarette zeigte.
Die beiden Männer schwiegen für eine Weile. Zwei Spat-
zen setzten sich auf den Fenstersims und schüttelten das
kalte Nass aus ihrem Gefieder. Erst jetzt fiel dem Papst auf,
dass die Spatzen oft zu zweit auf seinem Fenstersims lande-
ten und dass er sein Leben allein verbracht hatte. Eine tiefe
Melancholie erfasste ihn.
»Dann ist es jetzt so weit«, flüsterte der Heilige Vater.
»Es ist wirklich nur ein Gerücht, Eure Heiligkeit«, wie-
derholte Luigi Albertini, »es stammt von den Leuten, die
sich in Rom in der Basilika San Clemente treffen.« Er erhob
sich und trat einen Schritt zum Fenster. Eine Straßenkehr-
maschine fuhr lärmend über den morgendlichen Peters-
platz und verscheuchte die Vogelschwärme. Dann knatterte
der Motor, und schwarzer Rauch entwich dem Auspuff.
Die Maschine blieb stehen. Der Mann von der Straßen-
reinigung stieg aus und zündete sich eine Zigarette an. In
Italien gewöhnt man sich daran, dass nichts funktioniert.
Schwarzer Rauch über dem Petersplatz, dachte Luigi Alber-
tini. Er glaubte nicht an Vorzeichen. Er würde sich später
an die Straßenkehrmaschine erinnern, die Vogelschwärme,
die Glocken, die zur Frühmesse läuteten, den bröckelnden
Kitt im Fensterrahmen, das Wasser, das sich innen auf dem
Fenstersims sammelte und an der Tapete entlang hinunter-
tropfte und in den Teppich sickerte. Er würde sich erinnern,
dass der Papst dagesessen hatte, mit offenem Mund, un-
beweglich und mit düsterem Blick, als würde er von einer
diabolischen Sinnestäuschung heimgesucht, als sehe er eine
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gewaltige Flutwelle auf sich zurollen, gigantische Wellen,
die sich zu einem Berg auftürmen und ihn für immer weg-
spülen würden. Der Papst hatte Angst. War sein Glaube zu
schwach?
Es gibt Nachrichten, die keine Reflexe mehr auslösen,
keine Fluchtbewegung, kein Aufbäumen, keinen Protest,
kein Flehen, kein Bitten. Es gibt Nachrichten, deren Trag-
weite man sofort begreift, weil sie endltig sind. Irrever-
sibel. Man begreift sie mit dem ganzen rper. Alberti-
nis Nachricht war eine solche. Der Heilige Vater wusste
an jenem Morgen sofort um die Bedeutung von Albertinis
Worten. Er erinnerte sich, wie man ihn als frisch gewählten
Papst in den geheimen Archiven des Vatikans eingeschlos-
sen und ihn gebeten hatte, die Siegel eines Dokuments zu
brechen, um die letzten Geheimnisse zu erfahren. Er hatte
alles gelesen, bis in die frühen Morgenstunden. Danach
hatte er das knapp zweihundertseitige Dossier eigenhändig
wieder versiegelt, zu Händen seines Nachfolgers. Doch jetzt
fragte er sich, ob es nach ihm noch einen Nachfolger geben
würde. Denn das Gerücht war in Umlauf gesetzt worden.
Bald würde es sein blindwütiges Zersrungswerk in Gang
setzen.
O Herr, dachte der alte Mann, lass diesen Kelch an mir
vorübergehen. Ihm war, als würde das Blut in seinen Adern
gerinnen und seine Sinne lahmlegen. Eine fremde Gewalt
schien sich seiner zu bemächtigen. Er begriff, was geschehen
würde. Aber er konnte nichts mehr tun. Demütig senkte er
den Kopf: »Ich wusste, dass sie es eines Tages wieder versu-
chen würden. Sie versuchen es immer wieder. Seit Jahrhun-
derten. Während der Französischen Revolution hätten sie es
beinahe geschafft.«
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Luigi Albertini kniete vor dem Nachfolger des Fürsten
der Apostel, vor dem Pontifex maximus, vor dem Patri-
archen des Abendlandes, vor dem Bischof von Rom, dem
absolutistischen Herrscher über eine Milliarde Gläubige, er
kniete vor der ältesten Institution der Menschheit, vor dem
Stellvertreter Gottes. »Es ist nur ein Gerücht, Eure Heilig-
keit. Ich werde die Basilika San Clemente aufsuchen und
der Sache nachgehen.«
»Nein, Luigi«, sprach der Papst mit großer Anstrengung,
»die Basilika San Clemente al Laterano ist ein düsterer Ort.
Weißt du, auf welchem Fels diese Kirche erbaut ist? Steige
nicht hinunter in das Labyrinth, das sich wie eine giftige
Schlange unter dem Hochaltar windet. Schon mancher hat
dort seinen Glauben verloren.«
Der Heilige Vater gab ihm ein Zeichen, näher zu kom-
men. Albertini erhob sich und beugte sich zum Heiligen
Vater hinunter. Er nahm den fauligen Atem des kranken
Mannes wahr.
»In der Basilika San Clemente al Laterano werden Päpste
gert und Päpste vernichtet. Ich wusste, dass es so kom-
men rde. Die italienischen Familien dulden keinen Aus-
länder auf dem Thron Petri. Aber wenn der nächste Papst
aus ihren Reihen kommt, wird keiner mehr da sein, um das
letzte Geheimnis des Christentums zu hüten. Denn sie sind
Teil des Geheimnisses.«
Seine Worte klangen wie aus den Tiefen der Erde: »Zur
Zeit der Medici-Päpste haben es alle gewusst. Jeder gebil-
dete Mensch wusste es damals. Doch wir haben dieses Wis-
sen all die Jahrhunderte über in den Verliesen des Vatikans
eingekerkert, damit das Christentum obsiegt.« Er holte
Luft. »Wenn sich das Gerücht bewahrheitet, Luigi, wird es
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niemanden mehr geben, der dieses Wissen schützt. Denn
was war, wird nicht mehr sein. Der nächste Papst wird wie-
der ein Italiener sein, aber kein Nachfolger Petri.«
»Ich werde Sie beschützen, Heiliger Vater, ich bin Ihr
Nunzio Apostolico.«
»Sie werden nicht wagen, mich anzurühren. Sie werden
nur meine Pläne vereiteln. Das Sakrileg werden andere be-
gehen. Geh nach Sizilien, Luigi, zu Don Antonio Calame.
Er ist der Herr der zwei Welten. Er darf die Pläne des Heili-
gen Stuhls nicht vereiteln. Wir brauchen das Gold. Für das
Har-Magedon …«
Der Papst starrte wieder ins Leere. Er wollte allein sein.
Mit einer Handbewegung wies er seinem Nuntius die Tür.
»Harmagedon? Armageddon?«
»Die letzte Schlacht zwischen Gut und Böse, Sonne und
Finsternis. Es ist die Schlacht der Propheten um die Gunst
des einzig wahren Gottes.«
Albertini warf dem Heiligen Vater einen prüfenden
Blick zu. Wovon sprach der alte Mann? Hatte er nicht so-
eben Gold erwähnt?
»Wessen Gold, Heiliger Vater?«, fragte Albertini leise.
Doch der Papst schien ihn nicht zu hören. Er starrte auf den
Petersplatz hinunter. Seine Augen waren feucht.
Der Papst weinte.
NEW YORK Es gab noch ein weiteres Gerücht. Es stammte
von Cesare Lustrinelli, dem Psidenten der italienischen
Nationalbank. »Der Dottore wollte sich am Telefon nicht
näher äußern«, sagte George Green, Vorstandsmitglied des
Fed, der amerikanischen Notenbank Federal Reserve Sys-

Claude Cueni
Das Gold der Kelten

Roman

Softcover
ISBN 978-3-85787-446-8
Seiten 590
Erschienen Februar 2014
€ 19.90 / Fr. 26.80

58 vor Christus: Ohne Einwilligung des römischen Senats überzieht der völlig verschuldete Prokonsul Gaius Julius Cäsar Gallien mit privaten Raubfeldzügen, denn nur mit dem Gold der Kelten kann er in Rom politisch überleben. In dieser gefahrvollen Zeit flieht der junge Druidenlehrling Korisios gemeinsam mit seiner schönen, aber eigensinnigen Sklavin aus seiner kriegsbedrohten Heimat, dem Land der Rauriker, nach Westen. Bei Genava trifft er auf Cäsar und tritt als Schreiber in dessen Dienste. Auf geheimnisvolle Weise scheint sein Schicksal mit Cäsars triumphalem Aufstieg verknüpft zu sein, doch eines Tages werden sie zu erbitterten Rivalen.

Claude Cuenis historischer Roman erschien erstmals 1998 unter dem Titel Cäsars Druide und wurde zum Bestseller.

Pressestimmen

Das opulente Sittengemälde aus der Römerzeit ist zweifellos eine spannende Ferienlektüre. Der dicke Schmöker strotzt von prallem Leben, von Liebe und Leidenschaft, politischen Intrigen und gefährlichen Abenteuern. Seinen besonderen Wert verdankt das Werk aber seiner akribischen Faktentreue: Was die neuste Forschung an Erkenntnissen hergibt, hat Claude Cueni eingearbeitet.
— Bilanz
Cueni zeigt, dass es möglich ist, Geschichte als Geschichte zu erzählen. Der Mann ist so cool.
— Tages-Anzeiger